„Sich begegnen – sich kennenlernen – miteinander reden“

Herbert StabenSo lautet der Name eines neuen Projekts, das die Ev. Familien-Bildungsstätte e.V. Osnabrück und die evangelische Thomasgemeinde mit dem Familienzentrum („Treffpunkt Thomas“ und Thomaskindertagesstätte Am Limberg) zur Integration von Flüchtlingen in der Dodesheide initiiert. Für die Zielgruppe der Flüchtlinge, insbesondere der Flüchtlingsfamilien sollen bedarfsgerechte Angebote konzipiert, organisiert und angeboten werden, mit dem Ziel, Begegnungsmöglichkeiten im Stadtteil zu schaffen und so die Integration zu fördern.

Herbert Staben, Gemeindeglied der Thomasgemeinde, ist seit Februar mit 9 Wochenstunden bei diesem Projekt beschäftigt. Wir haben ihm einige Fragen gestellt:

Kontakte: Seit Februar sind Sie nun Mitarbeiter in diesem Projekt. Im April soll eine weitere Person mit 15 Wochenstunden beginnen. Was sehen Sie in den Monaten bis zum Sommer als Ihre wichtigste Aufgabe?

Staben: Zunächst ist es wichtig festzustellen, mit wie vielen asylsuchenden Menschen, aktuell und perspektivisch, wir es in unserem Stadtteil zu tun haben bzw. haben werden. Ebenso ist es hilfreich zu wissen, ob es sich um Einzelpersonen oder um Familien mit Kindern handelt .Die Nationalität gibt ggf. Aufschluss über die zu erwartende Dauer des Asylverfahrens und somit auch über den möglichen Verbleib der Menschen im Stadtteil.

Wichtig ist ebenfalls, alle Akteure, Einrichtungen und Ehrenamtliche die sich mit der Unterstützung von asylsuchenden Menschen im Stadtteils beschäftigen bzw. beschäftigen möchten, zu kontaktieren. Jeder muss nicht alles tun und in guter Kooperation können wichtige Synergieeffekte genutzt werden.

Was unsere konkreten Schwerpunkte dann sein werden, hängt zum einen davon ab, welche Bedürfnisse die Asylsuchenden konkret haben und davon, was wir leisten können.

Thomasgemeinde, FABI und Familientreff können m. E .gemeinsam viel Knowhow einbringen und einen beispielhaften Beitrag leisten, wie Integration ganz konkret in einem Stadtteil gelingen kann. Dazu bedarf es einer klaren eigenen Position zu den Themen um die Flüchtlingspolitik und zur Integration. Es könnten Begegnungs- und Kennenlernmöglichkeiten  geschaffen werden, um die Perspektive der Flüchtlinge, Hintergründe der Flucht besser kennen zu lernen, aber gleichzeitig auch Hemmschwellen und Vorurteile aus der Sicht der Bürger abzubauen.

Kontakte: Auf dem Bürgerforum im Februar im Schulzentrum Sonnenhügel hat die Stadt erstmals ausführlicher über die geplante Flüchtlingsunterkunft auf dem ehemaligen Kasernengelände am Limberg informiert. Auf was für eine Situation sollten wir uns, nach Ihrer Einschätzung, in der Gemeinde hier im Stadtteil einstellen?

Staben:

Zunächst müssen wir feststellen, dass die Lebensbedingungen am Limberg nicht den normalen Lebensbedingungen im Stadtteil entsprechen. Viel wird davon abhängen, wie lange die Menschen in der ehemaligen (und auch heute noch so anmutenden) Kaserne verweilen müssen. Die Menschen werden am Stadtteilleben teilnehmen, sie werden einkaufen gehen, sie werden Kontakte suchen, Kinder werden auf die Spielplätze, in Kindergärten und Schulen gehen.

Alleinstehende junge Männer wird es nach meiner Erfahrung eher in die Innenstadt ziehen.

Davon ausgehend, dass es wohl überwiegend Familien sein werden, wird es zu vielen Besuchsbegegnungen mit Landsleuten kommen, da in Osnabrück bereits viele syrische Familien leben.

Die Zahl der in der Dodesheide lebenden Flüchtlingsfamilienwird z.Z. eruiert.  Die Verweildauer im Stadtteil nach Ende des Asylverfahrens ist schwer einzuschätzen, da es die Familien oft dorthin zieht, wo bereits Landsleute wohnen und ist natürlich davon abhängig, ob entsprechender Wohnraum zur Verfügung stehen wird.

Kontakte: Sie sind jetzt im Ruhestand. In ihrem Berufsleben haben Sie u.a. als Flüchtlingssozialarbeiter in Osnabrück gearbeitet. Welche Erfahrungen aus dieser Arbeit können uns bei der Bewältigung der heutigen Herausforderung helfen?

Staben:

Die Bereitschaft, in der Gesellschaft und, wie das Bürgerforum gezeigt hat, auch im Stadtteil, den Asylsuchenden zu helfen, ist groß.

Aus meiner Sicht gibt es drei wichtige Punkte zu benennen.

  1. Wir müssen vorrangig klären, was die Menschen brauchen und auch akzeptieren, was sie nicht möchten, weil es ihnen vielleicht fremd erscheint.
  2. Wir sollten den Menschen die Entscheidung lassen, zu welchem Zeitpunkt und wie intensiv sie Kontakte eingehen wollen. Wenn sie sich darauf einlassen, müssen wir auch mit den Erwartungen umgehen können.
  3. Die Arbeit mit asylsuchenden Menschen ist sehr komplex und ist ohne ehrenamtliches Engagement nicht leistbar. Hieraus ergibt sich für mich die Verpflichtung für alle hauptamtlich Tätigen, ehrenamtliche Helfer zu begleiten, zu unterstützen und ggf. auch zu schulen.. Die asylsuchenden Menschen unterscheiden nicht, welches Wissen oder Erfahrung jemand hat. Wenn sie Vertrauen gewonnen haben, stellen sie alle Fragen die sie nur haben.

In den 80 er Jahren, gab es eine ähnliche Entwicklung, allerdings bei weitaus geringeren Zuwanderungszahlen. Eine Vielzahl ehrenamtlicher Helfer haben ihr Engagement eingestellt, da sie erst in der Arbeit die Komplexität der Flüchtlingshilfe erfahren haben und sich ohne eigene Unterstützung häufig überfordert – und allein gelassen gefühlt haben.

Kontakte: Was erhoffen Sie sich von diesem Projekt für das Miteinander in der Dodesheide?

Staben:

Der Stadtteil hat sich in den letzten Jahren sehr verändert. Der Abzug der englischen Soldaten mit all den daraus resultierenden Folgen, die Erschließung neuer Wohngebiete und Schaffung neuer Einkaufsmöglichkeiten hat viel Bewegung in die Dodesheide gebracht. Damit sind auch viele neue Familien hier ansässig geworden. Unser Projekt eröffnet die Möglichkeit, alteingesessene Stadtteilbürger, zugezogene Familien wie auch die asylsuchenden Menschen über das Gemeindeleben in Kontakt zu bringen.

Kontakte: Haben Sie einen Wunsch oder eine Ermutigung für die Leserinnen und Leser der „Kontakte“?

Staben:

Mir ist bewusst, dass die öffentliche Diskussion über die Zuwanderungspolitik die Menschen verunsichert. Ich bin überzeugt davon, dass wir nicht auf Lösungen der Politik warten können, denn die Integration kann man nicht erzwingen. Sie beginnt durch Begegnung, durch das Kennen- und Verstehen -lernen.

Mein persönlicher Wunsch ist es, dass die Menschen genau so mutig aufeinander zugehen mögen, wie sie auch den Mut haben sollen, ihre Befürchtungen und Ängste zu benennen. Hierfür sollte unsere Kirche wie auch die Gemeindeglieder mit ihren jeweiligen Möglichkeiten beitragen.

Kontakte: Wir danken Ihnen für dies Gespräch.

Das Gespräch führte Pastor Cord-Michael Thamm.