Quo vadis, Europa?

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Liebe Leserin, lieber Leser!

Es ist der 24. August 2022. Ein trauriger Tag. Sechs Monate dauert bereits dieser unsägliche, von Russland vom Zaun gebrochene Krieg gegen die Ukraine. Jedes Menschenleben, das in diesen sechs Monaten zu Tode gekommen ist, ist eines zu viel!

Gleichzeitig ist es für die Ukrainerinnen und Ukrainer auch ein Hoffnungstag. Sie feiern ihren Unabhängigkeitstag. 31 Jahre ist dieses Volk nun unabhängig von der großen, alle Teilstaaten umklammernden, imperialen Sowjetunion, die seitdem auch nicht mehr existiert. Diese Unabhängigkeit möchte das Volk erhalten und verteidigen. Es sieht in freier, demokratischer Entscheidung seine Zukunft im Kontext der EU, nicht im Kontext der Russischen Föderation, dem Nachfolgestaat der Sowjetunion.

Anzhela, eine starke ukrainische Frau, begeht diesen Tag in Iaşi, der viertgrößten Stadt Rumäniens, nahe der Grenze zu Moldawien, gemeinsam mit vielen hierhin geflohenen ukrainischen Frauen und Kinder. Mit anderen Frauen organisiert sie Betreuung und Unterricht für die zum Teil traumatisierten Kinder und Jugendliche. Gemeinsam nähen sie Erste-Hilfe-Taschen für ihre Männer, die Soldaten sind an der Front.

In einem Brief, in dem sie sich für Geldspenden von Menschen aus der Dodesheide bedankt, schreibt sie: „Es ist unsere Heimat, unsere Ukraine, unser Zuhause. Wir stehen und kämpfen für die Kinder, für das Leben, für unsere und für eine gemeinsame europäische Zukunft. Wir fragen uns, wie lange dieser verrückte brutale Krieg noch dauert. Wann lassen sie uns in Ruhe?

Warum hassen sie uns so, dass auch unsere Kinder vernichtet werden, nur weil sie Ukrainer sind.“

Am 17. Februar schrieb ich an genau dieser Stelle (die Nette Nachrichten erschienen dann am 4. März): „Wenn Sie diese Zeilen lesen, konnte diese akute Kriegsgefahr – so hoffen wir sehr – abgewendet und ein Weg zur Erarbeitung eines neuen Vertrags über die Sicherheit und die Zusammenarbeit in Europa (VSZE) eingeschlagen worden sein.“

Diese Hoffnung ist am 24. Februar, vor sechs Monaten, jäh zerschlagen worden. Die Erarbeitung eines solchen Vertrages ist in weite Ferne gerückt.

Was nun? Quo vadis, Russland? Quo vadis, Ukraine? Quo vadis, Europa?

Jesus Christus war sich über die Mächte und Gewalten bewusst, die eine göttliche Bestimmung für die Welt haben. Er sah allerdings genau so klar, wie diese „gefallen“ sind, ihrer guten Bestimmung für die Menschen und die Geschichte nicht mehr entsprechen. Das Ziel seines Evangeliums ist schließlich, sie zu verwandeln, sie also zu ihrer ihnen von Gott gegebenen Bestimmung zurückzuführen. So beschreibt es der Theologe Walter Wink in seinem Buch „Die Verwandlung der Mächte. Eine Theologie der Gewaltfreiheit“.* Er kommt schließlich zu dem Schluss: „Die Auseinandersetzung mit den Mächten bedeutet, sich Gottes Bemühung anzuschließen, sie zu ihrem göttlichen Zweck zurückzuführen.“**

Ich möchte mich dieser Bemühung anschließen. Sie auch?

Es grüßt Sie herzlich

Ihr Cord-Michael Thamm